Wann immer es in meinen Text-Seminaren um den Schreib-Stil geht, verweise ich auf die klugen und natürlich gut geschriebenen Bücher von Wolf Schneider. Im Laufe seiner langen Karriere (Schneider ist Jahrgang 1925) war er Journalist, Sachbuchautor und Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg – und er ist zu einer Stil-Ikone des Deutschen geworden.
Wer sich an Wolf Schneiders Empfehlungen hält, schreibt sehr gutes Deutsch. Sehr gutes Deutsch ist klar, kurz, verständlich, schnörkellos und lebendig. Sehr gutes Deutsch ist in der Wortwahl präzise, wirkt leicht dahingeschrieben und unspektakulär.
Und: Sehr gutes Deutsch ist leider schwierig zu schreiben. Warum? Weil dahinter gute Gedanken stecken müssen. Nur schwache Texter werfen mit sprachlichen Nebelbomben um sich und verstecken seichte, unausgegorene und unlogische Gedanken hinter schillernden Wortkaskaden und Sätzen, die auf einen kurzfristigen Blendungs-Effekt abzielen. Das gilt übrigens für Journalismus, Werbung, PR und Belletristik gleichermaßen – ja, sogar für Lyrik.

Immer mit hohem Mehrwert für seine Leser: der skeptische aber wohlwollende Blick von Wolf Schneider auf manche Erscheinungsformen der deutschen Sprache.
Seine Thesen zur Stilistik formulierte Wolf Schneider in vielen Büchern:
- Wörter machen Leute. Magie und Macht der Sprache
- Deutsch für Profis
- Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde
- Deutsch fürs Leben. Was die Schule zu lehren vergaß
- Deutsch für Werber
- Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte
- Speak German! – Warum Deutsch manchmal besser ist.
- Gewönne doch der Konjunktiv! Sprachwitz in 66 Lektionen
- Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt
- Deutsch lebt! Ein Appell zum Aufwachen
Sie alle sind lesenswert, zum Teil aus gutem Grunde redundant. Wer aber nur eines lesen will, sollte Deutsch für junge Profis. Wie man gut und lebendig schreibt kaufen. (Bitte beim Buchhändler Ihres Vertrauens – und nicht bei Amazon oder Thalia. Sie wissen, warum …)
Schneider betätigte sich eine Zeit lang als Video-Blogger auf der Süddeutschen-Online. Leider ist der Vlog nicht mehr on-air. Einen Beitrag gibt es noch:
www.dailymotion.com/video/x2xk4r0_speak-schneider-2-liebe-deutschlehrer_fun
Für eine 2012 erschienene Verlagsbeilage der Zeit hat Wolf Schneider eine Deutsch-Stilkunde in 20 Lektionen verfasst. Sie ist in ihren wichtigsten Teilen online abrufbar unter: www.zeit.de/serie/stilkunde-deutsch
Ihre wichtigsten Thesen seien hier nochmals kurz rekapituliert (mit lieben Grüßen an meine Seminarteilnehmer, denen ich das schon seit Ewigkeiten versprochen habe):
- Im Anfang war das Tun: Warum wir die Verben lieben sollten
- Zählen wir die Silben: Kurze Wörter bleiben hängen
- Nennen wir`s beim Namen: Konkrete Wörter haften besser
- Geizen wir mit Adjektiven: Überflüssig sind erstaunlich viele
- Seinen wir ein bisschen unbequem: Redensarten schläfern uns ein
- Vermeiden wir den Überdruss: Modewörter sind meist albern
- Warum wir am Passiv leiden: Es ist die hässlichste Form des Verbs
- Misstrauen wir den Synonymen: Nur Deutschlehrer lieben sie
- Verachten wir den Wissenschaftsjargon
- König der Sätze: Der Hauptsatz ist der älteste – und immer erste Wahl
- Wörter in Bewegung: Wie wir den Satzanfang variieren können
- Die Krone der Hässlichkeit: Bürokraten sind in sie vernarrt
- Nur für Gedächtniskünstler: Die vermaledeiten vorangestellten Attribute
- Die schöne heikle Nebensache: Wie wir mit Nebensätzen umgehen sollten
- Wie lange darf ein Satz sein? So lange, wie ihn unser Atem trägt
- Mit Satzzeichen Musik machen: Es gibt mehr als Punkt und Komma
- Gliedern kann nicht schaden: Erst denken, dann schreiben
- Die Kunst des Anfangs: Nach 20 Sekunden ist alles vorbei
- Die Kraft der Bilder: Sie schaffen Farbe und Wärme
- Der Wille zum Verzicht: Wenn alles gesagt ist, sollte der Text enden.
Ich möchte mich jetzt speziell auf Punkt 20 berufen.